Die Fahrt von Nairobi führt 500 Kilometer durch das äquatoriale Afrika. Am Straßenrand laufen Ziegenherden und Kameltreiber. In der Savanne bei Samburu stehen bald nur noch einzelne Akazien, die aussehen wie zerschossene Regenschirme.
Der Mzungu, der weiße Mann aus Ostfriesland, hat diesen Weg schon über ein Dutzend Mal gemacht. Hinein ins ländliche Afrika, vorbei am Mount Kenya und weiter Richtung Äthiopien, dorthin, wo das Land karg wird und die Sonne schmerzt.
Nach zwei Jahren extremer Dürre sind hier oben 1,5 Millionen Rinder und Ziegen gestorben. Hunderte Giraffen und Elefanten lagen tot im Busch. Die Wasserstellen ausgetrocknet, die Weideflächen verbrannt, der Boden nur noch Staub. Mehrfach wurde der nationale Katastrophenfall ausgerufen.
Die Familien teilen sich die Hütten. Die Eltern, die Kinder. Zu sechst schlafen sie in einem Bett. Einem Holzgestell, auf dem sie durch die dunklen Nächte schaukeln.
Die Frauen kennen ihn schon, den hochgewachsenen Mzungu aus Deutschland. Fokko Doyen erkundigt sich nach dem Jungen, der beim letzten Besuch krank war. Er fragt nach dem Mädchen, dessen Bauch weh tut. Der nächste Arzt ist Meilen weit weg. Vielleicht kann Doyen etwas tun, mit dem Bischof sprechen. Die Dinge gehen langsam in Afrika. Doch das ist nicht der Grund, weshalb Doyen ins ferne Marsabit gereist ist. Es geht um das Errichten von Lebensgrundlagen, um Perspektiven, die wenigstens einigen hier helfen. Vor allem den Kindern. Es geht um Wasser, Essen, Bildung.
Darum ist er hier. Um zu helfen, um etwas zu tun.
Die Familien teilen sich die Hütten. Die Eltern, die Kinder. Zu sechst schlafen sie in einem Bett. Einem Holzgestell, auf dem sie durch die dunklen Nächte schaukeln.
Die Frauen kennen ihn schon, den hochgewachsenen Mzungu aus Deutschland. Fokko Doyen erkundigt sich nach dem Jungen, der beim letzten Besuch krank war. Er fragt nach dem Mädchen, dessen Bauch weh tut. Der nächste Arzt ist Meilen weit weg. Vielleicht kann Doyen etwas tun, mit dem Bischof sprechen. Die Dinge gehen langsam in Afrika. Doch das ist nicht der Grund, weshalb Doyen ins ferne Marsabit gereist ist. Es geht um das Errichten von Lebensgrundlagen, um Perspektiven, die wenigstens einigen hier helfen. Vor allem den Kindern. Es geht um Wasser, Essen, Bildung.
Darum ist er hier. Um zu helfen, um etwas zu tun.
Alles begann in Nairobi. Nach dem Doyen mit dem Frachtflugzeug wieder einmal in Kenia gelandet war, besuchte er im Distrikt Kianjogu zufällig das Mothers’ Mercy Home. Ein Heim für Waisenkinder.
Doyen sah Elend. Kinder, die traumatisiert auf dem Boden saßen. Mädchen und Jungen ohne Essen, ohne Hoffnung. Doyen erinnert sich: „Es herrschte schreckliche Not, keine der großen Organisationen war vertreten, um zu helfen.“ Und dann zögerte er nicht lange.
Mithilfe einer großen deutschen Zeitung startete er zu Hause eine Spendenaktion, die 2007 alles ins Rollen brachte. Doyen gründete Cargo Human Care, brachte mit den Frachtflugzeugen fortan Kleidung und medizinische Hilfe nach Nairobi, denn auch die Lufthansa unterstützte das Projekt von Anfang an. Mit dem Spendengeld konnte auf dem Gelände ein erstes Gebäude errichtet werden. Ein gemauertes Haus für 120 Waisenkinder, die dort nun regelmäßig Essen bekamen, Unterricht und Betreuung durch Sozialarbeiter.
Für viele ein Anker im Nichts.
So ging es weiter. Fokko Doyen, die vielen Helfer, Ärztinnen und Mitwirkenden des Vereins haben seither sieben Hilfsprojekte in Kenia aufgebaut. Schulen und Kinderheime, gelegen in Nairobi und im ländlichen Norden. Immer wieder reisen sie dafür nach Afrika, schlagen sich mit der Bürokratie herum, halten in Deutschland Vorträge und sammeln Spenden.
Heute zählt Cargo Human Care 750 Mitglieder, 40 ehrenamtliche Fachärzte und über 300 Patenschaften, die vermittelt werden konnten. Hunderten Kindern kann der Verein so nicht nur ein Überleben sichern, sondern ihnen auch Perspektiven eröffnen.
Auch um die medizinische Versorgung kümmert sich der Verein. Im Medical Centre, das Cargo Human Care 2009 in Nairobi eröffnete, werden jedes Jahr über 40.000 Behandlungen durchgeführt. Hier finden Menschen Hilfe, die sich keinen Arzt leisten können und oft nicht einmal wissen, woran sie leiden. In Kenia fehlt es an Medikamenten, an Versorgung, an Aufklärung.
Für seine Arbeit erhielt Doyen den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Wohl auch, weil er weiß, was es heißt, nicht nur zu reden, sondern zu machen. Doyen: „Unsere Hilfe hat mit Rührseligkeit nichts zu tun, es geht darum, die Dinge im afrikanischen Alltag voranzutreiben.“
Auf dieser Reise besucht Fokko Doyen auch die Wings Academy in Marsabit. Mitten in der Wüste sind Klassenzimmer entstanden, ein Büro für Lehrer, Regale für Stifte und Mathematikbücher. Unweit der Lehmhütten existieren Trakte, in denen Betten mit Matratzen stehen. Es gibt Duschen, Waschbecken, eine kleine Küche.
Für derzeit 276 Kinder bedeutet die Akademie ein neues Zuhause, ein neues Leben. Keine Schmerzen vor Hunger mehr, keine Arbeit auf den Feldern. Die Mädchen und Jungen dürfen lernen, können sich waschen. Ein Paradies, das viele erst begreifen müssen.
Auch die Wings Academy entstand dank des Engagements von Cargo Human Care. Es gibt einen Speisesaal, ein Küchengebäude. Mehrere Wassertanks wurden errichtet, um den raren Regen aufzufangen. Ohne Wasser kein Leben, ohne Leben kein Lernen. In Afrika sind es oft sehr einfache Zusammenhänge, die erst geschaffen werden müssen. Dazu zählen auch die Zäune, die um die Schule gezogen wurden. Sonst kommen nachts die Elefanten. Sie riechen das Wasser und trampeln alles nieder.
Doyen steigt ins Auto, fährt weiter nach Bubisa. Wie ein glühendes Brett liegt die Welt unter der Sonne. Im Sommer 2020 kam ein Hilferuf aus der Region. Die Wasserversorgung war endgültig kollabiert. Zusammen mit Caritas International begann Cargo Human Care nach Wasser zu graben. Sie errichteten eine Aufbereitungsanlage, bauten Water Kiosks für die Menschen. Für viele bis heute die einzige Chance.
Auch die Wings Academy entstand dank des Engagements von Cargo Human Care. Es gibt einen Speisesaal, ein Küchengebäude. Mehrere Wassertanks wurden errichtet, um den raren Regen aufzufangen. Ohne Wasser kein Leben, ohne Leben kein Lernen. In Afrika sind es oft sehr einfache Zusammenhänge, die erst geschaffen werden müssen. Dazu zählen auch die Zäune, die um die Schule gezogen wurden. Sonst kommen nachts die Elefanten. Sie riechen das Wasser und trampeln alles nieder.
Doyen steigt ins Auto, fährt weiter nach Bubisa. Wie ein glühendes Brett liegt die Welt unter der Sonne. Im Sommer 2020 kam ein Hilferuf aus der Region. Die Wasserversorgung war endgültig kollabiert. Zusammen mit Caritas International begann Cargo Human Care nach Wasser zu graben. Sie errichteten eine Aufbereitungsanlage, bauten Water Kiosks für die Menschen. Für viele bis heute die einzige Chance.
Zurück in Nairobi besucht Doyen weitere Anlaufstationen, die sein Verein ins Leben gerufen hat. Das Mothers’ Mercy Home ist das Herzstück der fliegenden Helfertruppe um Lufthansa Cargo. Heute sind Sozialarbeiter im Heim angestellt, dazu helfen viele Mütter freiwillig, beim Kochen, beim Lernen. Es gibt Betten, Duschen, fließend Wasser. Es gibt Essen, Kleidung, Bücher. Fußbälle, die aus Leder sind und nicht aus Lumpen.
Es gibt hier jetzt das, was ein junges Leben braucht. Ein Dach über dem Kopf. Ein Mindestmaß an Fürsorge in einem Dasein aus Hunger und Pein.
Fahrt durch staubiges Nairobi, vorbei an Baustellen, Buden und flirrenden Straßenmärkten. Doyen erreicht die John Kaheni Residence. Auch dieses Heim hat Cargo Human Care aufgebaut. Teenager, die hier unterkommen, tragen das mit sich herum, was die Sozialarbeiterin Millicent Makenyeh „emotional baggage“ nennt. Emotionale Last, in die Seele getrieben durch Missbrauch, Prügel, Armut, Hunger.
Makenyeh sagt: „Wir versuchen, die Talente der Jugendlichen zu erkennen und sie irgendwie auf einen Beruf vorzubereiten.“ Viel wichtiger sei es jedoch, ihnen etwas anderes zu vermitteln: Vertrauen, Halt. Die mitnichten selbstverständliche Hoffnung auf ein glückliches Leben, das vor ihnen liegt.
Fokko Doyen zieht sich eines der Fußballtrikots über, die er für die Mädchen und Jungen mitgebracht hat. Er stellt sich mit den Jugendlichen auf den Rasen, spricht mit ihnen. Er findet freundliche, warme, aber auch deutliche Worte. Nichts ist umsonst, nicht einmal die Hilfe, die mit den Flugzeugen aus Deutschland kommt. Darum müssen auch sie sich anstrengen. Vor allem: lernen.
Fahrt durch staubiges Nairobi, vorbei an Baustellen, Buden und flirrenden Straßenmärkten. Doyen erreicht die John Kaheni Residence. Auch dieses Heim hat Cargo Human Care aufgebaut. Teenager, die hier unterkommen, tragen das mit sich herum, was die Sozialarbeiterin Millicent Makenyeh „emotional baggage“ nennt. Emotionale Last, in die Seele getrieben durch Missbrauch, Prügel, Armut, Hunger.
Makenyeh sagt: „Wir versuchen, die Talente der Jugendlichen zu erkennen und sie irgendwie auf einen Beruf vorzubereiten.“ Viel wichtiger sei es jedoch, ihnen etwas anderes zu vermitteln: Vertrauen, Halt. Die mitnichten selbstverständliche Hoffnung auf ein glückliches Leben, das vor ihnen liegt.
Fokko Doyen zieht sich eines der Fußballtrikots über, die er für die Mädchen und Jungen mitgebracht hat. Er stellt sich mit den Jugendlichen auf den Rasen, spricht mit ihnen. Er findet freundliche, warme, aber auch deutliche Worte. Nichts ist umsonst, nicht einmal die Hilfe, die mit den Flugzeugen aus Deutschland kommt. Darum müssen auch sie sich anstrengen. Vor allem: lernen.
Dass Afrika einmal eine besondere Rolle in seinem Leben spielen sollte, hätte sich der Junge aus Ostfriesland früher selbst niemals vorstellen können. Doyen wurde auf dem Bauernhof der Familie groß, geboren im Schlafzimmer der Eltern. Das kleine Holte hatte damals 400 Einwohner, der Blick fiel auf Weiden und die Tröge fürs Vieh. Er erinnert sich: „Es waren bescheidene Verhältnisse, mein Vater arbeitete in der Molkerei, es reichte gerade zum Leben. Urlaub war für unsere Familie ein Fremdwort.“
Fokko Doyen aber beschloss schon früh, seine eigene Lebensreise anzutreten. Er schaffte die mittlere Reife. Danach besuchte er die Fachhochschule, paukte Ingenieurswesen. Mit 15 fuhr er zur See. Mit 21 heuerte er bei der Lufthansa an, wurde Flugingenieur, später Co-Pilot und Kapitän. Er flog die 727, bald eine Boeing 747-200 auf Langstrecke. Schließlich wechselte er zu Lufthansa Cargo und stieg am Ende zum Flottenchef auf.
Dass Afrika einmal eine besondere Rolle in seinem Leben spielen sollte, hätte sich der Junge aus Ostfriesland früher selbst niemals vorstellen können. Doyen wurde auf dem Bauernhof der Familie groß, geboren im Schlafzimmer der Eltern. Das kleine Holte hatte damals 400 Einwohner, der Blick fiel auf Weiden und die Tröge fürs Vieh. Er erinnert sich: „Es waren bescheidene Verhältnisse, mein Vater arbeitete in der Molkerei, es reichte gerade zum Leben. Urlaub war für unsere Familie ein Fremdwort.“
Fokko Doyen aber beschloss schon früh, seine eigene Lebensreise anzutreten. Er schaffte die mittlere Reife. Danach besuchte er die Fachhochschule, paukte Ingenieurswesen. Mit 15 fuhr er zur See. Mit 21 heuerte er bei der Lufthansa an, wurde Flugingenieur, später Co-Pilot und Kapitän. Er flog die 727, bald eine Boeing 747-200 auf Langstrecke. Schließlich wechselte er zu Lufthansa Cargo und stieg am Ende zum Flottenchef auf.
Eine Traumkarriere. Die Welt zog unter ihm vorbei. Der Himmel gehörte ihm. Doch eines vergaß Doyen nie. Da unten, 36.000 Fuß unter den mächtigen Tragflächen und Turbinen seiner Jets, zogen keineswegs nur Bilderbuchwelten vorbei. Doyen hatte genug gesehen auf seinen Reisen. Er wusste, dass da unten Millionen Menschen ein Leben in Not und Armut führen.
Darum begann er sich zu engagieren. Nicht reden, machen. Der Rest ist Geschichte.
Und das vielleicht auch, weil Doyen schon früh die ungeschönte Bedeutung dieses einen Worts verstand: Fernweh. Doyen wusste schon als Junge, dass es dabei nicht immer nur um Reiselust geht. Auch ihm ging es vielmehr darum auszubrechen. Sich Chancen zu erarbeiten, Perspektiven jenseits des eigenen Horizonts.
Eine Traumkarriere. Die Welt zog unter ihm vorbei. Der Himmel gehörte ihm. Doch eines vergaß Doyen nie. Da unten, 36.000 Fuß unter den mächtigen Tragflächen und Turbinen seiner Jets, zogen keineswegs nur Bilderbuchwelten vorbei. Doyen hatte genug gesehen auf seinen Reisen. Er wusste, dass da unten Millionen Menschen ein Leben in Not und Armut führen.
Darum begann er sich zu engagieren. Nicht reden, machen. Der Rest ist Geschichte.
Und das vielleicht auch, weil Doyen schon früh die ungeschönte Bedeutung dieses einen Worts verstand: Fernweh. Doyen wusste schon als Junge, dass es dabei nicht immer nur um Reiselust geht. Auch ihm ging es vielmehr darum auszubrechen. Sich Chancen zu erarbeiten, Perspektiven jenseits des eigenen Horizonts.
Dass Afrika einmal eine besondere Rolle in seinem Leben spielen sollte, hätte sich der Junge aus Ostfriesland früher selbst niemals vorstellen können. Doyen wurde auf dem Bauernhof der Familie groß, geboren im Schlafzimmer der Eltern. Das kleine Holte hatte damals 400 Einwohner, der Blick fiel auf Weiden und die Tröge fürs Vieh. Er erinnert sich: „Es waren bescheidene Verhältnisse, mein Vater arbeitete in der Molkerei, es reichte gerade zum Leben. Urlaub war für unsere Familie ein Fremdwort.“
Fokko Doyen aber beschloss schon früh, seine eigene Lebensreise anzutreten. Er schaffte die mittlere Reife. Danach besuchte er die Fachhochschule, paukte Ingenieurswesen. Mit 15 fuhr er zur See. Mit 21 heuerte er bei der Lufthansa an, wurde Flugingenieur, später Co-Pilot und Kapitän. Er flog die 727, bald eine Boeing 747-200 auf Langstrecke. Schließlich wechselte er zu Lufthansa Cargo und stieg am Ende zum Flottenchef auf.
Eine Traumkarriere. Die Welt zog unter ihm vorbei. Der Himmel gehörte ihm. Doch eines vergaß Doyen nie. Da unten, 36.000 Fuß unter den mächtigen Tragflächen und Turbinen seiner Jets, zogen keineswegs nur Bilderbuchwelten vorbei. Doyen hatte genug gesehen auf seinen Reisen. Er wusste, dass da unten Millionen Menschen ein Leben in Not und Armut führen.
Darum begann er sich zu engagieren. Nicht reden, machen. Der Rest ist Geschichte.
Und das vielleicht auch, weil Doyen schon früh die ungeschönte Bedeutung dieses einen Worts verstand: Fernweh. Doyen wusste schon als Junge, dass es dabei nicht immer nur um Reiselust geht. Auch ihm ging es vielmehr darum auszubrechen. Sich Chancen zu erarbeiten, Perspektiven jenseits des eigenen Horizonts.
An diesem Nachmittag steht er in einem Hinterhof Nairobis und ringt nach Worten, nach Gesten. Nach einem irgendwie angemessenen Vokabular, gerichtet an junge Menschen, die tausend Welten unter der normalen Reiseflughöhe irgendwie überleben müssen.
Fokko Doyen, der fliegende Mzungu aus Ostfriesland, könnte auch am Meer liegen. An einem weißen Strand mit grünen Palmen. Doch das ist das Schöne am Reisen: Das Wort Fernweh kann jeder für sich selbst auslegen.